Thea Viezens

erinnert sich

Beim Schützenfest 2012 wurde Thea Viezens, geb. Bäumer, als 60-jährige Jubelkönigin geehrt. Auf einem Flyer, der an ihrem Königstisch verteilt wurde, hatte sie Erinnerungen an Mellrich, vor allem an das Mellricher Schützenwesen, zusammengefasst. Der Schützenvorsitzende Matthias Lehnen war wie viele andere der Ansicht, dass es zu schade sei, diese Gedanken nur den wenigen Gästen am Tisch kundzutun, und so hat Thea Viezens sie noch einmal digitalisiert geschickt, so dass sie hier veröffentlicht werden können. Für die älteren Mellricher werden hier sicher manche Erinnerungen wach.
Hier ihre Aufzeichnungen:
 
Im Jahre 1926 wurde die neue Schützenhalle in Mellrich eingeweiht,- und im gleichen Jahr zog die Familie Bäumer nach Mellrich und ins Schulhaus ein, ich war gerade 1 Jahr alt!
Ein "armes Dorfschulmeisterlein" bekam in der damaligen Zeit immer Land zugewiesen, um eine Familie ausreichend ernähren zu können. Unser "Acker" lag direkt an der Westseite der neuen Schützenhalle in Richtung Altenmellrich, wo dann ein Gemüsegarten angelegt wurde (später von der Familie Pilgrim genutzt) , das zweite Grundstück an dieser Straße war unser großer Obstgarten, der im Dorf als "Baumschule" bekannt war. Warum "Baumschule"? Mein Vater unterrichtete auch Fortbildungschüler aus den umliegenden Dörfern einmal wöchentlich abends, denen er hier zeigte, wie man Bäume veredelt, Pfropfen aufsetzt usw. Schon bald konnten wir die leckeren Cox Orange und Jakob Lebel genießen.
Ich fühlte mich also schon als Kleinkind in der Nähe der Schützenhalle wohl und kannte jede Ecke und jedes Versteck ringsum, auch in Webers Garten gegenüber oder am Heiligenhäuschen. Nur im Herbst gab es sehr viel Arbeit, wenn das Fallobst täglich aufgesammelt und im Bollerwagen nach Haus gebracht werden mußte. Als wir Lehrerkinder dann heranwuchsen, fanden wir das nicht mehr so gut.

Natürlich waren wir auch in der Schützenhalle wie zu Hause, wo ich meinen ersten "Auftritt " auf der Bühne im Theatersaal hatte, und zwar beim großen Kaffeetrinken des Kirchspiel-Müttervereins. Ich war im ersten Schuljahr, 6 Jahre alt, und meine Lehrerin Frl. Jarosch hatte dafür ein Gedicht geschrieben. "Ihr Mütter, seid Ihr alle da ...?" begann es. Noch heute kann ich mich gut daran erinnern, wie aufgeregt ich war, voll im Rampenlicht. Später habe ich noch oft auf dieser Bühne gestanden, wie z.B.1946 im Legendenspiel Genovefa, als Richard Mintert (Onkel Richard von allen genannt) mit Heinz Sehrbrock die Mellricher Spielgemeinschaft leitete. Mit meinen Mellricher Jugendgruppen habe ich über viele Jahre Theateraufführungen und bunte Dorfabende im Schützenhaus veranstaltet.

Die dörflichen Schützenfeste waren natürlich für uns Kinder immer Höhepunkte.Als ich im Jahre 1934 beim Kinderfest mit 9 Jahren Schützenkönigin wurde, war ich mächtig stolz. Karl-Heinz Blanke hatte im Brünneken den Vogel von der Stange geholt und mich auserwählt!

Nach dem Krieg bekam ich 1946 eine neue Aufgabe zugeteilt, und auch diese führte mich in die Schützenhalle Mellrich. Man suchte im Dorf dringend einen Kindergarten, der nun hier sehr provisorisch und behelfsmäßig eingerichtet wurde- und ich übernahm die Leitung. 25 Dorfkinder wurden hier aufgenommen und von mir betreut. An zwei erinnere ich mich bis heute genau: Gerhard Henneke und Alfred Diergarten. Die Sunder war nah mit den Buchenwäldern und riesigen Farnkrautflächen und den Dachsbauten im Wald an der Straße nach Altenmellrich . Bei Regenwetter bot uns die große Schützenhalle reichlich Platz und alle Möglichkeiten für Sport und Spiel.
Diese Kindergartenzeit dauerte kaum 2 Jahre, aber nach meiner weiteren Ausbildung war ich schon 1949 wieder im Lande und -wie es das Schicksal wollte,- auch wieder in unserer Mellricher Schützenhalle tätig, dieses Mal als Kreisjugendpflegerin! Die Schützenhalle wurde von 1948 bis 1954 von der Kreisverwaltung Lippstadt angemietet und der Jugend zur Verfügung gestellt und fiel so in meinen neuen Aufgabenbereich. Ein großes Schild über dem Eingang verkündete die neue Funktion des Gebäudes "Kreisjugendheim Mellrich". Da das Haus während der Kriegsjahre als Landjahrlager genutzt worden war, gab es noch Schlafsäle und besondere Einrichtungen, die uns sehr nützlich waren. Mellrich wurde zum Treffpunkt der Jugend des Kreises und zur Begegnung auch auf Landesebene, mit oftmals mehr als 100 Teilnehmern bei vielfältigen Veranstaltungen, Schul-Entlasswochen, Lehrertagungen, Wochendlehrgängen, Landjugendabenden.
Das Haus wurde rege genutzt und es gab auch Singeabende und Volkstanzveranstaltungen in der großen Halle. Für die Belegung des Hauses und die Durchführung zahlreicher Kurse war ich verantwortlich und das hat mir in meinem Heimatdorf natürlich besonders viel Freude gemacht.

Für die Schützenfesttage blieb die Halle der Mellricher Bevölkerung vorbehalten. Als ich im Mai 1952 dort von meinem Nachbarn Anton Schütte zur Schützenkönigin gewählt wurde, brachte unsere Heimatzeitung die Schlagzeile: "Thea I. - die Jugendkönigin".
Sie hatten recht damit, da ich als Besonderheit meine damalige Mellricher Landjugendgruppe voll als Hofstaat eingesetzt hatte, immerhin 16 Paare. Wir hatten viel Spaß miteinander!
Im Jahre 1953 allerdings mußten wir auf das traditionsgemäße Fest als grünes Königspaar mit großem Umzug am Schützenfestsonntag wegen eines Trauerfalls in der Familie Schütte verzichten. Wie gut, dass unser Königsoffizier vom Vorjahr, Leonhard Lehnen, in dankenswerter Weise als Nothelfer einsprang und mit seiner vorjährigen Hofdame Anni Voss das Königszepter übernahm. Das war eine großartige Geste der beiden, für die ich ihnen noch heute danken möchte. Hier noch eine persönliche Anmerkung, die meine besondere Verbundenheit mit Mellrich und mit dieser Halle betrifft: Meinen 70. Geburtstag habe ich am 18.April 1995 hier feiern dürfen, ein großartiges Fest mit mehr als 200 Gästen. Das bleibt unvergessen.